20.04.2021

Die CDU lässt sich nicht alles gefallen

Diese virtuelle Sitzung des CDU-Bundesvorstands in der Nacht zum Dienstag wird in die Annalen der Partei als eine ganz besondere eingehen. Eigentlich wollte und sollte die Parteispitze – zum zweiten Mal innerhalb einer Woche – über die Kanzlerkandidatur ihres Vorsitzenden Armin Laschet entscheiden. Doch im Kern hat der Vorstand drei Feststellungen getroffen, die mit der K-Frage nur indirekt zu tun haben. Die Ausrufung Laschets war da eher ein Nebenprodukt.

Das ist der Kern dessen, was die CDU wirklich beschlossen hat:

1) Die CDU ist und bleibt eine Partei, in der die Regeln der repräsentativen Demokratie Vorrang vor basisdemokratischen Entscheidungen haben.
2) Die CDU beharrt auf ihrem Anspruch, als größere der beiden C-Parteien in der der K-Frage das Zugriffsrecht gegenüber der CSU zu haben.
3) Die CDU lässt sich von den „Schmutzeleien“ Markus Söders nicht beeindrucken.

Die CDU als Gremienpartei

CSU-Chef Söder hatte mit seinem Versuch, in der CDU eine „Basisbewegung“ zu seinen Gunsten auszulösen, durchaus Erfolg. Reihenweise verwiesen CDU-Landesvorsitzende darauf, dass in ihren Verbänden die Söder-Anhänger und Laschet-Kritiker die Mehrheit bildeten. Aber der Apparat war mehrheitlich der Meinung, Präsidium und Vorstand könnten sich das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen.

Man könnte sagen: Die CDU-Spitze hat sich für das Festhalten am innerparteilichen Struktur-Konservatismus entschieden. Die Mitglieder wählen Delegierte zum Bundesparteitag, diese Delegierten wählen den Bundesvorstand und dessen Mitglieder haben das letzte Wort. Da ist kein Platz für Mitgliederentscheide oder Aufwallungen der Basis, gestützt auf Umfrageergebnisse. Nach einer Woche, in der das C in CDU für Chaos stand, machte der Vorstand klar, wo die Musik spielt – und nach welcher Melodie.

Die CDU als Big Brother

Nach dem Selbstverständnis der CDU kann gar kein Zweifel bestehen, dass sie den Kanzlerkandidaten stellt und nicht die kleinere CSU. Das ist nicht die Attitüde der großen Schwester, sondern des Big Brother: Der Stärkere ist der Stärkere ist der Stärkere. Anders formuliert: 15 Landesverbände haben mehr zu sagen als eine Landespartei. Ausnahmen wie Strauß 1980 und Stober 2002 bestätigen die Regel. Wobei man in der CDU nie den Hinweis vergisst, dass in beiden Ausnahmefällen die politische Konkurrenz der wahre Sieger gewesen sei.

Die CDU lässt sich nichts gefallen, jedenfalls nicht alles

Das Abstimmungsergebnis von 31 für Laschet, 9 für Söder und 6 Enthaltungen spiegelt nicht das Verhältnis von Laschet- und Söder-Anhängern wider. Mancher dürfte für Laschet gestimmt oder sich enthalten haben, weil ihm Söders Art der Wahlkampfführung zuwider war.

Söder dachte nicht daran, bei einem CDU-Votum für Laschet sein Versprechen von der guten Zusammenarbeit „ohne Groll“ einzulösen. Er versuchte, an den CDU-Gremien vorbei in Partei und Fraktion Stimmung zu machen und Stimmen zu sammeln. Er setzte auf den Aufstand der CDU-Basis gegen ihre Führung, wollte aus der CDU einen ihm ergebenen Fanclub machen. Das alles passte nicht zu den ständigen Bekundungen der freundschaftlichen und guten Zusammenarbeit zwischen München und Berlin. Das Wort von den Söderschen „Schmutzeleien“ ist selten so häufig zitiert worden wie in den letzten Tagen – und zwar von hohen CDU-Funktionären. Das hat letztlich Laschet geholfen, ja gerettet.

Kanzlerkandidatur als Nebenprodukt

Formal ging es in der Abstimmung um Laschet oder Söder. Tatsächlich stimmte die Mehrheit im Vorstand dagegen, sich Söders Machtansprüchen zu unterwerfen, ihren erst vor drei Monaten gewählten Vorsitzenden zu demontieren und zum Rücktritt zu zwingen. So wurde Armin Laschet Kanzlerkandidat – sozusagen als Nebenprodukt einer Abwehrschlacht der CDU gegen Söder. Dass das nicht die besten Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Wahlkampagne sind, ist auch klar.

P.S.: Ein mir gut bekannter Verlagsmanager pflegte das Ergebnis diffuser Sitzungen so zusammenzufassen: „Wir wollen das alle nicht – also machen wir’s.“ Kein Zufall, dass mir das heute Nacht wieder eingefallen ist.

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 20. April 2021)


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