26.05.2023

Bedingungsloses Grundeinkommen: Der Arbeitende ist der Dumme

Was das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in diesen Tagen auf Twitter verkündete, klang wie eine Siegesmeldung: „Radikale Idee ist im Mainstream angekommen: Zwischen 45 und 55 Prozent der Befragten stimmen für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens #BGE. Repräsentative Studie zeigt. Die meisten wünschen sich 1200 Euro ganz ohne Verpflichtung.“ Die entsprechende Pressemitteilung las sich ebenfalls nicht wie das Statement von Wissenschaftlern, sondern eher wie Propaganda von Links: „Je höher, desto besser: Hohe Unterstützung in der Bevölkerung für ein bedingungsloses Grundeinkommen.“

Nun brauchte man eigentlich keine Demoskopen zu bemühen, um herauszufinden, ob sehr viele Menschen für zusätzliche staatliche Geschenke sind oder nicht. “Freibier für alle“ fände wohl in einer Umfrage ebenso eine Mehrheit wie der Wunsch nach einer Drei-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich und gleichzeitiger Arbeitsplatzgarantie bis zum hoffentlich frühen Renteneintrittsalter. Von einer Welt zu träumen, in der es den Menschen ganz ohne oder mit weniger Arbeit gut geht, ist sehr menschlich und zweifellos nicht strafbar.

Diese Zahlen zum BGE basieren auf Umfragen des DIW und der Universität Konstanz. Sie überraschen nicht, weil das DIW schon 2016 und 2019 ähnlich hohe Zustimmungswerte für ein BGE ermittelt hatte. Dabei liegt nahe, dass Menschen mit geringem Einkommen das Konzept stärker befürworten als solche mit hohem Einkommen. Letztere wissen nämlich, wer das Nicht-Arbeiten anderer bezahlen müsste. Finanziert werden soll diese Sozialleistung nach Meinung der Befragten nämlich durch höhere Steuern auf Einkommen und die Einführung einer Vermögensteuer.

Beim DIW sind die Grenzen zwischen Wissenschaft und Politik fließend

Dass das DIW diese Umfrageergebnisse feiert, als müssten von Stund‘ an alle volkswirtschaftlichen Lehrbücher neu geschrieben werden, kommt nicht überraschend. DIW-Präsident Marcel Fratzscher ist für fast alle Ideen zu haben, die zu einer kräftigen Umverteilung von oben nach unten führen würden. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung bescheinigte ihm vor einigen Jahren, er habe sich zu einem „lautstarken Claqueur der Sozialdemokraten gemausert“. Jedenfalls ist Fratzscher, einst Berater Sigmar Gabriels (SPD), immer zur Stelle, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender einen „neutralen“ Experten präsentieren.

Aus dem Hause DIW stammt auch das Konzept eines „Grunderbes“ in Höhe von 20.000 Euro, das jedem 18-Jährigen vom Staat geschenkt werden soll. Diese Idee, von SPD-Politikern gern übernommen, stammte vom DIW-Steuerexperten Stefan Bach. Der hatte schon am steuerpolitischen Teil des SPD-Wahlprogramms 2021 mitgearbeitet Derselbe Ökonom durfte dann das SPD-Konzept als scheinbar unabhängiger Experte in zahlreichen Medien – natürlich positiv – bewerten. Ein Musterbeispiel dafür, nach welchen Kriterien Interviewpartner insbesondere in den öffentlich-rechtlichen Medien ausgewählt werden.

Zweifellos ist beim DIW die Grenze zwischen Politik und Wissenschaft fließend. Für eine sehr politisierte Wissenschaft steht auch die DIW-Klimaexpertin Claudia Kempfert. Wie sehr es diese Wissenschaftlerin in die Politik drängt, zeigte sich 2012, als sie dem Schattenkabinett des CDU-Politikers Norbert Röttgen als künftige Energieministerin Nordrhein-Westfalens angehörte. Nach Röttgens krachender Wahlniederlage wechselte Kempfert die Seiten und tauchte im Wahlkampfteam des hessischen SPD-Vorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel auf. Doch auch hier hatte sie auf einen Verlierer gesetzt. 2021 engagierte sich Kemfert bei den „Scientists for Future“. Diese Gruppe von Wissenschaftlern unterstützt die Schülerbewegung „Fridays for Future“.

Wenn das DIW jetzt die Ergebnisse der neuesten Umfrage zum bedingungslosen Grundeinkommen feiert, passt das ins Bild eines Instituts, das offensichtlich nicht nur auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus ist, sondern das politische Geschehen konkret zu beeinflussen sucht – aus tendenziell linker und grüner Perspektive. Die im DIW unverkennbar vorherrschende Sympathie für ein bedingungsloses Grundeinkommen wird von der Linkspartei sowie großen Teilen von SPD und Grünen geteilt. Dabei spielt ein idealistisches, man könnte auch sagen naives Menschenbild eine entscheidende Rolle: dass alle Menschen, denen der Staat ein angemessenes Auskommen garantiert, nicht nur glücklich, sondern auch produktiv werden.

Eine neue Klassengesellschaft

In der idealen Grundeinkommen-Welt liegen die Menschen nicht auf der faulen Haut, sondern können sich endlich selbst verwirklichen und werden vielfältig aktiv. Nur zeigen selbst die jüngsten Umfragen, dass die BGE-Befürworter jegliche Auflagen ablehnen. Ob einer das BGE für eine Aus- oder Weiterbildung nutzt, bleibt dem Einzelnen überlassen. Der Staat, das heißt „die Reichen“ zahlen, und die BGE-Empfänger erfreuen sich ihres Lebens. Die verschiedenen Grundeinkommen-Konzepte lassen zu, dass BGE-Bezieher arbeiten und ihr Einkommen erhöhen können – aber nur die, das wollen. Das führte zu einer neuen Klassengesellschaft: Die Klasse der Arbeitenden sorgt für sich sowie für die Nichtarbeitenden. Die Klasse der Grundversorgten ist dagegen privilegiert: Ihre Angehörigen entscheiden nach Lust, Laune und Bedarf, ob sie überhaupt aktiv zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen, und falls ja, in welchem Umfang.

Die Arbeitenden hingegen zahlen Steuern und finanzieren das Grundeinkommen der anderen. Das sieht man in dem vom DIW jetzt gefeierten „Mainstream“ genauso. Zur Finanzierung des BGE geltende Sozialleistungen zu kürzen oder gar die Mehrwertsteuer zu erhöhen, wird von den befragten BGE-Befürwortern kategorisch ausgeschlossen. Das liefe dann auf das Prinzip hinaus: Der Arbeitende ist der Dumme. Das würde der vom DIW befragte „Mainstream“ so niemals sagen – aber denken.

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 26. Mai 2023)


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