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Auszug aus dem Vortrag „Von der Bonner zur Berliner Republik – Anmerkungen aus der Provinz“ bei den „Zweiten Berliner Immobiliengesprächen“ der DeTeImmobilien am 28. Februar 2005 in Berlin

Berlin – the city that doesn’t sleep

Von Hugo Müller-Vogg


Vor genau zehn Jahren hat Johannes Gross in seinem Buch „Begründung der Berliner Republik“ von der „schlichten Wahrheit“ geschrieben, „dass in den nächsten Dezennien Berlin nur gewinnen, jede andere deutsche Großstadt nur verlieren kann.“ 

Das erschien damals vielen als übertrieben. Auch heute steht die Hauptstadt nicht als der strahlende Sieger da. Aber die Tendenz ist eindeutig: Mit Berlin hat dieses Land wieder ein politisches und kulturelles Zentrum. Hier wird Politik gemacht. Hier konzentrieren sich die Meinungsmacher und die kreativen Köpfe, die so genannte Informations-Elite. Berlin, das ist die deutsche Version von der „city, that doesn’t sleep“, ist die einzige deutsche Großstadt, die es mit London oder Paris aufnehmen kann.

Berlin ist darüber hinaus der Platz, wo man am ehesten ein Gefühl für dieses Deutschland, für unser Land bekommt. Berlin ist Stein gewordene deutsche Geschichte, mit allen ihren Facetten, den ruhmreichen und den schrecklichen. Berlin ist aber auch der Stein gewordene Beweis für die Richtigkeit der Aussage Willy Brandts, „das Schicksal Berlins wird auch das Schicksal Deutschlands sein.“

Gleichwohl: Wirtschaftlich ist die alte, neue Hauptstadt alles andere als ein „power house“. Eine Folge der Teilung war die weit verbreitete Subventionsmentalität - im Westteil wie im Ostteil. Die westliche Frontstadt erwartete während des Kalten Krieges ganz selbstverständlich, dass der Rest der Republik für sie zahlte. Und der Ostteil als Schaufenster des Sozialismus sowie als Akkumulation der SED-Elite verlangte und bekam vom Rest der DDR dasselbe. Mit dieser Erblast hat Berlin heute zu kämpfen.

So hängt die Stadt finanziell am Tropf des Bundes. Daran wird sich so schnell nichts ändern. Das hat aber auch sein Gutes: So lange Berlin Kostgänger der Republik ist, kann es allenfalls übermütig werden, aber nicht übermächtig. Was wiederum ein Vorteil ist: Denn ein Berlin, das alles an sich zöge und dadurch die förderale Struktur der Bundesrepublik beschädigte, schwächte damit das ganze Land.

Dennoch: Berlin braucht dringender als andere deutsche Großstädte ertragsstarke Unternehmen, die Steuern zahlen und Arbeitsplätze schaffen. Das aber wird erst dann im notwendigen Umfang möglich sein, wenn das ganze Land von einem nachhaltigen Aufschwung erfasst wird. Ein separates Berliner Wirtschaftswunder innerhalb eines stagnierenden Landes ist nicht möglich. Das heißt nicht, dass Berlin gar nicht anderes übrig bliebe als abzuwarten. Im Gegenteil: Als Folge der Teilung muss die Stadt sich mehr anstrengen als andere. Doch der Weg zum Erfolg ist lang und steinig.

„Berlin vereint“, so hat Kurt Tucholsky gespottet, „die Nachteile einer amerikanischen Großstadt mit denen einer deutschen Provinzstadt. Seine Vorzüge stehen im Baedeker.“ Nun denn, das ist eben der Unterschied zwischen Berlin, mancher amerikanischer Großstadt und vielen deutschen Provinzstädten – dass sehr viel im Baedeker steht. 

Darauf kann man aufbauen – darauf muss man aufbauen. 



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