02.12.2022

Die Politik muss um das Vertrauen der Bürger kämpfen

Lediglich 59 Prozent der Westdeutschen und sogar nur 39 Prozent der Ostdeutschen sind mit unserer Demokratie zufrieden. Mehr als 60 Prozent sind überzeugt, den Parteien gehe es nur um die Stimmen der Wähler; die Ansichten der Bürger hingegen interessierten die Funktionäre nicht.

Daraus zu schließen, die Deutschen sehnten sich nach einem Monarchen oder gar einem Diktator, wäre freilich falsch. Nicht die Demokratie an sich wird kritisch gesehen. Vielmehr ist das Vertrauen in die Politik gesunken. Die Menschen fühlen sich schlecht regiert, und zwar unabhängig von den parteipolitischen Konstellationen in Bund und Ländern.

Dazu haben mehrere Faktoren beigetragen. Die Regierenden haben im Verlauf der Corona-Pandemie den Eindruck erweckt, sie wüssten selbst nicht, warum sie was tun. Ähnlich sprunghaft wirkt ihr Handeln in der Energiekrise. Erst soll das Gas durch eine Umlage verteuert, dann durch einen Preisdeckel verbilligt werden – aber erst am Ende der Heizperiode. Die Entlastungen sind so wenig zielgerichtet, als werfe man Geld aus dem Hubschrauber ab. Überdies erwarten die Bürger von der Politik, dass diese die Inflation eindämme, was diese aber gar nicht kann.

Ist der Ruf erst ruiniert …

Die politische Stimmung wird zusätzlich durch verantwortungslose Politiker belastet. Die Maskendeals einiger Unionsabgeordneter oder das Fehlverhalten sozialdemokratischer und grüner Minister während der Flutkatastrophe im Ahrtal haben „die Politik“ und „die Politiker“ in Misskredit gebracht. „Der Politik“ wird auch - nicht zu Unrecht - angelastet, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Führungsetagen zu einem Selbstbedienungsladen verkommen ist. Und, und, und …

Dagegen gibt es kein Patentrezept. Vertrauen ist leicht verspielt, es wiederzugewinnen dagegen sehr schwer. Doch hilft alles nichts. Unsere Demokratie kann sich nur der Links- und Rechtsextremen, der Querdenker, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker jeglicher Coleur erwehren, wenn die Mitte breit und stark ist.

Am „Normalbürger“ orientieren

Die „normalen Bürger“ in dieser Mitte sind weder ideologisch noch extremistisch; sie denken auch nicht immer politisch korrekt. Sie sind in Bezug auf die Politik vergesslich und keineswegs dankbar. Sie messen die Regierenden jeweils an ihren aktuellen Taten, nicht an vergangenen Erfolgen. Sie wollen vor allem eines: effizient regiert und verlässlich verwaltet werden.

Politiker und Parteien tun deshalb gut daran, sich danach zu richten. Das heißt: Die Sacharbeit muss Vorrang haben vor parteipolitischen Spielchen. Regierung und der demokratische Teil der Opposition sollen als Gegner, nicht als Feinde agieren. Und bei allem Verständnis für Minderheiten aller Art, können diese nicht der wichtigste Maßstab für politisches Handeln sein.

Vor allem aber muss die Politik sich hüten, als „Alleskönner“ und „Alleslöser“ aufzutreten. Der Satz „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ (Ingeborg Bachmann) wäre das richtige Motto für ein verstärktes Werben um die Bürger. Die wollen nämlich nicht nur als mündig bezeichnet, sondern auch so behandelt werden. Und das zu Recht.

(Veröffentlicht in „jung & alt“, Dezember 2022)


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