24.11.2021

Die große Ampel-Bescherung: Wer soll das bezahlen?

Aus einem machen die Ampel-Koalitionäre keinen Hehl: Es wird keine Steuererhöhungen geben, dafür aber viele neue Schulden. Dabei kommt der Koalition, so grotesk es auch klingen mag, ausgerechnet Corona zu Hilfe. Die „pandemische Notlage“ ist in Wirklichkeit nämlich nicht vorbei, was die Wirtschaft weiterhin belastet und den Staat finanziell fordert. Deshalb wird Rot-Grün-Gelb im kommenden Jahr die Schuldenbremse abermals aussetzen.

Corona erlaubt mehr Schulden

Das kann die Koalition auch tun, ohne dass die FDP das Gesicht verlöre. Schließlich erlauben „außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“, eine deutlich höhere Kreditaufnahme als die von der Schuldenbremse erlaubten 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Der Bund kann also im Haushaltsjahr 2022 das machen, was der SPD nahestehende Ökonomen ohnehin vorgeschlagen haben: unter Bezug auf Corona schuldenmäßig einen „großen Schluck aus der Pulle“ zu nehmen. Denn die Koalition will für die Klimapolitik und die „Transformation“ der Wirtschaft zusätzliche Mittel „in nie dagewesenem Umfang“ einsetzen. Was im Koalitionsvertrag prosaisch umschrieben wird, heißt nichts anderes als: Schulden, Schulden, Schulden.

„Schattenhaushalte“ als Finanzierungsquelle

Diese werden zum größten Teil nicht in künftigen Etats auftauchen; schließlich soll im Haushaltjahr 2023 die Schuldenbremse wieder greifen. Stattdessen wird vieles über staatliche Institutionen wie den bereits bestehenden Klima- und Transformationsfonds oder die Deutsche Bahn AG abgewickelt werden, nicht zuletzt über die Staatsbank KfW. Der Charme dieser „Schattenhaushalte“ liegt darin, dass deren Kreditaufnahme – scheinbar – nicht die Staatsverschuldung erhöht. Dazu passt, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die bisher nur staatliche Immobilien verwaltete, künftig selbst bauen darf und soll. Die Förderung von jährlich 100.000 Sozialwohnungen wird wohl ebenfalls weitgehend außerhalb des Etats ablaufen.

Die Koalition will nicht alles nur über Kredite finanzieren. Sie will auch Mittel frei machen, indem sie „überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben“ streicht; den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche will sie verschärfen. Das wird aber bei weitem nicht reichen, um die von SPD und Grünen vor der Wahl angekündigten Investitionen von 500 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren zu finanzieren.

Teure Sozialpolitik

Ebenfalls völlig offen bleibt, wie SPD, Grüne und FDP die höheren Aufwendungen in der Sozial- und Familienpolitik finanzieren. Die viel großzügigere Gewährung der Hartz-IV-Leistungen, die künftig als Bürgergeld firmieren, werden sehr teuer werden, ebenso das von der SPD durchgesetzte Versprechen, auf Rentenkürzungen und eine Anhebung des Rentenalters zu verzichten. Das läuft auf weitere, milliardenschwere Zuschüsse an die Rentenversicherung hinaus. Ewas Entlastung verspricht die Wiedereinführung des „Nachholfaktors“, was die Rentenerhöhungen zum 1. Juli 2022 dämpfen wird. Aber das gleicht die zusätzliche Belastung durch den Renteneintritt der „Baby Boomer“ in den kommenden Jahren bei weitem nicht aus.

Einstieg in die kapitalgedeckte Rente

Ein Schritt in die richtige Richtung ist zweifellos die Einrichtung eines Fonds, der Geld am Kapitalmarkt investiert und mit dessen Erträgen die Rentenleistungen aufgestockt werden sollen. Das trägt die Handschrift der FDP. Aber mit den zunächst vorgesehenen 10 Milliarden Euro lassen sich nicht Renditen in einer Höhe erwirtschaften, die für eine nennenswerte Zusatzrente für mehr als 20 Millionen Renten ausreichen. Dieser Kapitalstock muss folglich jährlich dotiert werden, sofern das Ganze einen Sinn machen soll. Dazu findet sich im Koalitionsvertrag nichts.

Teuer dürfte die Einführung einer Kindergrundsicherung werden, mit einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag für alle Kinder und Jugendliche und einem gestaffelten Zusatzbetrag, der vom Einkommen der Eltern abhängig ist. Hier fehlt, wie auf allen 177 Seiten des Koalitionsvertrags, das Preisschild. Wenn die neuen Leistungen in Gesetzesform gegossen werden, dürften die SPD-Sozialpolitiker viele ihrer kostspieligen Vorstellungen durchsetzen, assistiert von den Grünen, die sich unbedingt als soziale Partei profilieren wollen.

Die Wirtschaft muss zahlen

Eine Regierung gibt nicht nur das Geld der Steuerzahler aus. Die Kosten der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik werden vielfach den Unternehmen aufgebürdet. Das war schon immer so; das wird bei der Ampel besonders deutlich. Die Erhöhung des Mindestlohns von 9,60 auf 12 Euro wird gerade kleine Unternehmen erheblich belasten. Dasselbe gilt für zusätzliche Kinderkrankentag, die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern mit Kindern gewähren müssen. Das alles schlägt sich nicht im Bundeshaushalt, sondern in der Kostenrechnung der Unternehmen nieder.

Die Ampel-Parteien haben, wie versprochen, geliefert – termingerecht kurz vor dem 1. Advent. Wenn man aber all die Ankündigungen liest, fragt man sich wie einst „Kaiser Franz“: „Ja is' denn heut scho' Weihnachten.“ Nun ja, die Kosten für manches Weihnachtsgeschenk werden auch erst im neuen ahr abgestottert.

Veröffentlicht auf Focus.de am 24.11.2021


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