08.07.2021

Maaßen – Wahlhelfer für Grün-Rot

In den 299 Bundestagswahlkreisen haben allein die sieben im Bundestag vertretenen Parteien 1794 Direktkandidaten aufgestellt. Aber kein einziger stößt – von den Spitzenkandidaten einmal abgesehen – auf so großes mediales Interesse wie Hans-Georg Maaßen. Der CDU-Kandidat im Wahlkreis 196 (Suhl-Schmalkalden-Meiningen-Hildburghausen-Sonneberg) produziert fast täglich Schlagzeilen – und zwar überwiegend negative. Die Hoffnung mancher CDU-Politiker, ein so konservativer Kandidat wie Maaßen könnte vom Merkel-Kurs enttäuschte ehemalige CDU-Wähler zurückgewinnen, dürfte unerfüllt bleiben. Maaßen schadet der CDU/CSU mehr, als er ihr hilft – und zwar aus fünf Gründen.

1. Maaßen ist ein Gescheiterter

Niemand wird die juristische Qualifikation des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten in Zweifeln ziehen, auch nicht seine sonstigen Fähigkeiten als ehemaliger Spitzenbeamter. Aber er ist eben nicht aus freien Stücken aus dem Staatsdienst in die Politik gewechselt. Er ist vielmehr an der Spitze einer Bundesbehörde gescheitert, weil er im Sommer 2018 nach schweren Ausschreitungen in Chemnitz die Authentizität eines Videos bezweifelte, die eine mutmaßliche Hetzjagd auf Ausländer zeigte. Belege für eine von ihm unterstellte Fälschung konnte er jedoch nicht vorlegen.

Innenminister Horst Seehofer (CSU) wollte den als Verfassungsschutzpräsidenten untragbar gewordenen Maaßen zunächst zum Staatssekretär befördern, ihn nach heftigen Kontroversen mit dem Koalitionspartner SPD wenigstens als Abteilungsleiter behalten. Als Maaßen dann „linksradikale Kräfte in der SPD“ ausmachte und behauptete, Medien und Politiker hätten die besagten „Hetzjagden frei erfunden oder zumindest ungeprüft diese Falschinformation verbreitet“, hatte Seehofer genug und versetzte ihn in den einstweiligen Ruhestand.

Der neue Hoffnungsträger mancher Konservativer begibt sich also nicht als Lichtgestalt in die politische Arena, sondern als Gescheiterter.

2. Maaßen ist in der CDU ein Außenseiter

Maaßen trat schon 1978 mit 16 Jahren in die CDU ein, war aber eher ein passives Mitglied. Er ist auch nicht von namhaften Unionspolitikern gebeten worden, sich politisch zu betätigen und der CDU im Wahlkampf zu helfen. Im Gegenteil: Wenn der Bundesvorstand der Partei ein Vetorecht bei der Nominierung von Wahlkreiskandidaten hätte, hätte er es in diesem Fall wohl ausgeübt. Sein Eintritt in die am rechten Rand agierende WerteUnion förderte bei vielen CDU-Granden deren Skepsis gegenüber dem Neueinsteiger.

Maaßen verdankt seine Kandidatur der südthüringischen CDU, die ihn zur Kandidatur aufforderte. Ihr langjähriger Abgeordneter Mark Hauptmann war wegen seiner Masken-Deals und seiner Aserbeidschan-Verbindungen untragbar geworden. Auch erhofft man sich in der örtlichen CDU von Maaßen, er werde ehemalige CDU-Wähler von der AfD zurückholen.

Es ist kein Geheimnis, dass der CDU-Vorsitzende Armin Laschet vor allem auf Friedrich Merz setzt, um das konservative Profil der CDU zu stärken beziehungsweise neu zu beleben. Zu Maaßen gehen die führenden Unionspolitiker dagegen auf Distanz, wo und wann sie nur können.

3. Maaßens Geschäftsmodell heißt Provokation

Maaßen ist ein entschiedener Gegner von Merkels Flüchtlingspolitik. Er warnt unablässig vor den Gefahren des islamistischen Terrors und beklagt den Linkstrend in Politik und Gesellschaft, nicht zuletzt in den Medien. Insoweit unterscheidet er sich nicht von anderen CDU-Politikern, die wie beispielsweise Wolfgang Bosbach oder den Ko-Vorsitzenden des „Berliner Kreises“, Sylvia Pantel und Klaus-Peter Willsch.

Maaßen liebt es zu provozieren, wenn er etwa Koalitionen der CDU mit der AfD in Ostdeutschland für denkbar hält, die Neue Züricher Zeitung (NZZ) als „so etwas wie Westfernsehen“ charakterisiert oder darauf hinweist, er sei nicht in die CDU eingetreten, damit „1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen“. Er hat auch kein Problem damit, Publikationen der Neuen Rechten Interviews zu geben und auf Twitter Beiträge von Verschwörungstheoretikern zu teilen.

Seine jüngste „Enthüllung“: Maaßen sieht Verbindungen „zwischen Personen, die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiten und die Tagesschau arbeiten, und der linken und linksextremen Szene.“ Bei diesen Journalisten solle man die „charakterlichen Eigenschaften“ prüfen. Auch einen entsprechenden Untersuchungsausschuss hielt er für denkbar. Namen und Belege lieferte der Ex-Verfassungsschützer indes nicht.

4. Maaßen ist wenig attraktiv für AfD-Wähler

Maaßen bekommt für viele Aussagen Beifall von der AfD, meist nach dem Motto, er sage das Richtige, sei aber halt in der falschen Partei. Ob er mit seiner Positionierung rechts von der offiziellen CDU-Linie AfD-Wähler zurückholen kann, muss jedoch bezweifelt werden. Wer politisch auch nur halbwegs informiert ist, weiß, dass Maaßens Einfluss innerhalb der CDU sehr begrenzt ist. Die WerteUnion hatte auf ihn große Hoffnungen gesetzt. Doch dieser Verein von knapp 4.000 CDU-Mitgliedern ist nach der Wahl des AfD-Sympathisanten Max Otte zum neuen Vorsitzenden in Auflösung begriffen. Selbst Maaßen lässt seine Mitgliedschaft ruhen.

Sollte Maaßen, der auf der Landesliste nicht abgesichert ist, das Direktmandat erobern, würde er in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion kaum mit offenen Armen empfangen werden. Dass die neue Fraktionsführung ihn mit einer herausgehobenen Position betrauen würde, gilt als ausgeschlossen. Man darf also davon ausgehen, dass der Abgeordnete Maaßen zu den Hinterbänklern unter der Reichstagskuppel zählen wird. Die Politik der CDU/CSU wird er dann bisweilen etwas stören – aber sicher nicht verändern.

5. Maaßen ist ein „Fressen“ für die Medien

Der Politiker Maaßen kennt das Spiel: Schlagzeilen bekommt man dann, wenn man heftig auf den Putz haut. Besonders beliebt in Redaktionen sind solche Politiker, die in der eigenen Partei wider den Stachel löcken. Das tut der Ex-Verfassungsschutzpräsident unter professionellen Gesichtspunkten geschickt und mit Erfolg.

Die meisten Medien, allen voran die öffentlich-rechtlichen Anstalten, werden in den knapp drei Monaten bis zur Wahl, jede Maaßen-Äußerung fast so behandeln, als spreche hier der künftige Innenminister und nicht ein potentieller Abgeordneter ohne großen Einfluss. Aber mit Maaßens indirekter Hilfe lässt sich die CDU/CSU eben bequem in die ganz rechte Ecke drängen – also genau dahin, wo der linksgrüne, mediale Mainstream die Union habe möchte.

Fazit: Maaßen ist ein Geschenk für Grün-Rot

Maaßens Zündeln am rechten Rand, nicht zuletzt seine Attacken auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, lösen bei Grünen und SPD regelmäßig Empörungswellen aus. Bei manchen Äußerungen könnte man meinen, Maaßen wäre CDU-Vorsitzender und wolle nach der Wahl mit der AfD koalieren. In Wirklichkeit dürften die grünen und roten Wahlkämpfer ständig aufs Handy starren – in der Hoffnung, Maaßen liefere neues Empörungsmaterial. Auch das gehört zum Wahlkampf: Sich über Äußerungen der anderen Seite öffentlich zu empören – und heimlich darüber zu freuen.

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 8. Juli 2021)


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