15.05.2020

Die GroKo muss jetzt unsinnige sozialpolitische Geschenke abschaffen

Mit dem Bundesfinanzminister möchte man wirklich nicht tauschen, mit seinen Kollegen in den Ländern und den Kämmerern in den Kommunen auch nicht. 100 Milliarden Euro an Steuereinnahmen werden allein in diesem Jahr fehlen. Bis 2024 summiert sich der Fehlbetrag auf 316 Milliarden. Das sind die wirtschaftlichen Bremsspuren der Corona-Pandemie.

Jammern hilft nicht. Der Staat muss Geld in die Hand nehmen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, um Betrieben beim Überleben zu helfen und Arbeitsplätze zu retten. Aber das kann kein Alibi sein, neue Sozialleistungen einzuführen und bestehende Ausgabenposten unbesehen beizubehalten. Es ist deshalb ein schwerer Fehler, dass die Große Koalition auf Druck der SPD an der Grundrente festhalten will – und zwar unter Verzicht auf eine umfassende Einkommens- und Vermögensprüfung, wie sie bei „Hartz IV“ die Regel ist. Das verteuert das Projekt unnötig und lenkt Geld selbst in solche Haushaltskassen, die eigentlich gut gefüllt sind, weil der vermeintlich hilfsbedürftige Kleinrentner eine finanziell gut gestellte Partnerin hat oder umgekehrt.

Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. In der drohenden schlimmsten Rezession seit den 1920er-Jahren wäre es unverantwortlich, große Ausgabenposten unangetastet zu lassen, wenn deren Sinn ohnehin fragwürdig ist. Mit der Mütterrente beispielsweise werden Frauen nachträglich honoriert, die den Kindern und der Familie zuliebe auf Berufstätigkeit und damit auf höhere Rentenleistungen verzichtet haben. Für junge Familien mit Kindern hat sie keine Bedeutung. Natürlich soll den Müttern, die diese Zusatzleistung bereits beziehen, diese nicht gestrichen werden. Aber bei künftigen Rentnerinnen ließe sie sich einsparen.

Dasselbe gilt für die Rente mit 65, dank derer alle ohne Abschläge vorzeitig in den Ruhestand gehen können, die 45 Jahre lang Beiträge bezahlt haben. Davon profitieren überwiegend Männer, die ein Leben lang gearbeitet haben und deshalb meist ohnehin überdurchschnittlich hohe Rentenansprüche haben. Mit dieser Sonderleistung für meist gut bezahlte Facharbeiter machte die SPD den Gewerkschaften ein Geschenk, so wie die Union mit der Mütterrente ganz gezielt ihre älteren Wählerinnen bediente. Das war schon in Zeiten noch besser gefüllter Rentenkassen zu großzügig.

In Berlin wird über ein Konjunkturpaket nachgedacht, um in der zweiten Jahreshälfte die Konjunktur zu beleben. Das kann gar nicht ohne neue Schulden gehen. Das enthebt die Politik jedoch nicht der Notwendigkeit, über das Antasten bestehender Ausgabenblöcke nachzudenken. Manches, was in guten Zeiten vielleicht gerade noch vertretbar war, ist in Zeiten von Corona nicht mehr zu verantworten. Das erfordert Entscheidungen – auch schmerzliche.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 16. Mai 2020)


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