25.03.2020

Warum keinen repräsentativen Corona-Test?

Jeden Tag gibt es neue Zahlen zu den nachweislich mit dem Corona-Virus Infizierten und den Todesopfern dieser Pandemie. Das zu wissen ist wichtig – aber nur ein Teil der Wahrheit. Denn viele Menschen haben sich Covif-19 irgendwie eingefangen, spüren jedoch nichts, haben nicht die typischen Symptome. Wer gar nicht weiß, dass er sich infiziert hat, lässt sich auch nicht testen und taucht folglich in keiner Statistik auf. Manche Epidemiologen gehen deshalb von einer sehr hohen Dunkelziffer aus. Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass die eigene Statistik nur jeden zweiten Infizierten enthält. Manche Forscher gehen indes von einem Faktor 10 aus. Demnach hätten wir es nicht mit 31.554 Infizierten (Stand: 25. März) zu tun, sondern mit mehr als 300.000.

Alle Beteiligten – Mediziner wie Politiker – stochern folglich mit einer Stange im Nebel herum. Man kann auch sagen: Nichts Genaues weiß man nicht. Der Journalist Gabor Steingart hat jetzt in seinem Podcast „Morning Briefing“ einen höchst interessanten Vorschlag gemacht: Wir sollten – nach dem Vorbild der Meinungsforschung – eine repräsentative Stichprobe von Bundesbürgern testen. Das Ergebnis könnten wir dann auf 83 Millionen Einwohner hochrechnen.

Steingart machte seinen Vorstoß im Gespräch mit Dr. Klaus Reinhardt, dem Präsidenten der Bundesärztekammer. Der war geradezu begeistert, nannte Steingarts Vorschlag „spannend“ und „klug“. Zugleich wies der Mediziner, der als Hausarzt mit der Pandemie direkt konfrontier ist, auf die Vorteile des Ergebnisses eines repräsentativen Test-Reihe aufmerksam: Die Zahl der Todesfälle erschiene gegenüber einer weitaus höheren Zahl von Infizierten in einem anderen Licht.

Im Zusammenhang mit der Pandemie werden viele Vorschläge gemacht. Der von Steingart besticht, weil er so pragmatisch ist. Wenn die Meinungsforscher durch die Befragung von 2000 oder 4000 repräsentativ ausgewählten Menschen die politische Stimmung ebenso ergründen können wie modische Vorlieben oder Essgewohnheiten, dann würde ein nach denselben Methoden vorgenommener Corona-Test Aufschluss darüber geben, wie weitverbreitet das Virus tatsächlich ist. Dann ließe sich auch besser darüber diskutieren, welche Einschränkungen sinnvoll sind oder nicht. Zurzeit muss die Politik auf der Basis unvollständiger und schnell überholter Zahlen agieren – wie ein Autofahrer, der den Weg im Rückspiegel sucht. Es spricht also alles für eine repräsentative „Umfrage“ mit einem Wattetupfer. Die Kosten sind im Vergleich zu den im Bundestag beschlossenen Milliarden-Pakten wirklich Peanuts.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 25. Oktober)


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