27.11.2019

Der JU-Vorsitzende Kuban: Sturmfest und erdverwachsen

Jung-Unionisten haftet das Klischee an, sie liefen mit bravem Seitenscheitel und Aktenkoffer geschäftig durch die Gegend, gäben sich dynamisch und erinnerten doch eher an Musterschüler. Auf Tilman Kuban, den seit Frühjahr amtierenden Chef der Jungen Union (JU), der gemeinsamen Nachwuchsorganisation von CDU und CSU, trifft das nicht zu. Der 32-jährige untersetzte Volljurist aus Barsinghausen tritt eher rustikal auf; er verkörpert geradezu die Niedersachsen-Hymne: sturmfest und erdverwachsen.

In seiner Jugend hat Kuban Fußball gespielt. Seine Position als freier Mann im defensiven Mittelfeld bezeichnete man damals als die des Libero. Der hielt die Abwehr zusammen und dirigierte das Spiel seiner Mannschaft. Auf dem grünen Rasen geht das bei Kuban nach zwei Kreuzbandrissen nicht mehr, in der Parteipolitik schon. Als im Frühjahr 2019 in der JU die Nachfolge des zum CDU-Generalsekretär aufgestiegenen Paul Ziemiak anstand, galt Kuban als Außenseiter - und setzte sich schließlich mit 63 Prozent durch.

Die Junge Union steht seit den Zeiten des früh gestorbenen Philipp Mißfelders dem von Angela Merkel eingeschlagenen Modernisierungskurs sehr kritisch gegenüber. Kuban betont zwar, dass in der JU ebenso wie in den Mutterparteien alle drei Strömungen vertreten seien - die christlich-soziale, die liberale und auch die konservative. Doch der umjubelte Auftritt von Friedrich Merz auf dem Deutschlandtag zeigte, dass der Mehrheit eine Kohl-Union lieber wäre als eine grün-imprägnierte Partei. „Es bringt nichts, grüner als die Grünen sein zu wollen“, verkündet der Chef der 100.000 JU-ler. „Die CDU muss die modernste und innovativste Partei Europas sein.“

Mit seinem Vorstoß für die Bestimmung des nächsten Kanzlerkandidaten oder der nächsten Kanzlerkandidatin der CDU durch einen Mitgliederentscheid hat Kuban seine Organisation in die Schlagzeilen gebracht - und sich natürlich auch. Soll so eine Kanzlerkandidatur von Annegret Kramp-Karrenbauer verhindert und der Weg für einen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz frei gemacht werden? Oder für Gesundheitsminister Jens Spahn, den die JU beim Kampf um den Parteivorsitz im ersten Wahlgang gegen AKK unterstützt hatte? Kuban hält sich bedeckt. Dass Merz auf dem Deutschlandtag mehr bejubelt wurde als jede andere Unionsgröße, zeigte aus Kubans Sicht „die große Sehnsucht nach Politikern mit einem klaren Profil.“ Er weist aber auch darauf hin, dass Merz bei der Bundestagswahl 2021 67 Jahre alt wäre.

Kuban ist ein politisches Talent. Er weiß, wie man Mehrheit organisiert, attackiert gern und hat Spaß an polemischen Spitzen. Die „Willkommenspolitik“ der Kanzlerin hat er früh und deutlich kritisiert. Wer scharf schießt, schießt auch mal übers Ziel hinaus. So warf er Merkel die „Gleichschaltung“ der Partei vor, entschuldigte sich aber für diesen missglückten DDR-Vergleich. Dem Juso-Chef Kevin Kühnert riet er, doch endlich mal einen beruflichen Abschluss zu machen. Dann könne er sich auch eine Wohnung leisten und brauche nicht über Enteignungen nachzudenken.

Kuban selbst hat sich schon früh politisch engagiert, dabei aber seine berufliche Ausbildung nicht schleifen lassen. Nach Jura-Studium und zweitem Staatsexamen ist er seit 2016 bei den Unternehmerverbänden Niedersachsen für Recht und Nachhaltigkeit zuständig. Nach der Wahl zum JU-Vorsitzenden hat er seine Arbeitszeit dort reduziert. „Der Bundesvorsitz ist ein Ehrenamt und irgendwo muss man auch seine Brötchen verdienen.“ Auf mittlere Sicht will Kuban hauptberuflich Politik machen. Eigentlich müsste er schon seit Sommer im Europaparlament sitzen. Doch wegen der mageren 28,9 Prozent für die CDU bei der Europawahl reichte sein vermeintlich sicherer Listenplatz nicht für Straßburg und Brüssel. So wird er wohl, wie seine JU-Vorgänger, einen Sitz im Bundestag anstreben.

Es wäre nicht das erste politische Mandat. Seit 2007 ist Kuban Ratsherr in Barsinghausen. Dort kümmert er sich um die Feuerwehr, Kultur und Sport. Das will er auch weiterhin tun. „Kommunalpolitik erdet“, meint er. Das tue gut, wenn man aus der Berliner Filterblase zurückkomme. Gerade für die Sportvereine hat der Kommunalpolitiker ein offenes Ohr. Schließlich war der eingefleischte Fan von Hannover 96 selbst lange im Amateursport engagiert - schon früh als Trainer der Jugend-Kreisauswahl, später dann bei den 96-ern als Nachwuchsscout für 10- bis 15-jährigen Talente. Dass ausgerechnet Ex-Kanzler Gerhard Schröder mit seinen Unternehmer-Freunden bei dem Fußballbundesligisten Strippen zieht, stört den CDU-Mann nicht: „Beim Fußball kenne ich keine Parteipolitik. Da teilen wir die Liebe zum Sport.

Veröffentlicht in: CICERO – Magazin für Politische Kultur, Nr. 11, November 2019.


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