05.06.2018

BAMF-Untersuchungsausschuss: Überflüssig wie ein Kropf

Ein Untersuchungsausschuss gehört zu den Folterinstrumenten der Opposition. Sie kann dort tatsächliche oder vermeintliche Skandale genüsslich ausbreiten, sie kann prominente Politiker der Regierungsparteien vorladen und befragen, sie kann auf diese Weise ein Thema zum eigenen Vorteil am Kochen halten. Nur eines kann ein Untersuchungsausschuss nicht: vergangene Vorfälle so aufklären, dass hinterher am tatsächlichen Geschehen keinerlei Zweifel mehr bestehen. Denn im Untersuchungsausschuss ziehen eben nicht alle an einem Strang; der Kampf zwischen Regierung und Opposition geht dort nur mit anderen Mitteln weiter.

Es liegt also nahe, dass FDP und AfD sich für einen Untersuchungsausschuss zur Affäre um das Bundesamt für Flüchtlinge und Integration (BAMF) stark machen. Ihnen geht es dabei weniger um die Aufklärung dubioser, höchstwahrscheinlich krimineller Machenschaften in der Außenstelle Bremen. Beiden Oppositionsparteien geht es in erster Linie darum, die aus ihrer Sicht falsche Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel anzuprangern. Wobei meistens unter den Tisch fällt, dass Angela Merkel keineswegs mit absoluter Mehrheit regierte, sondern ihre Willkommenspolitik einträchtig mit dem Koalitionspartner SPD betrieb, beifällig begleitet von den oppositionellen Grünen und Linken.

Was immer sich FDP und AfD von einem Untersuchungsausschuss auch versprechen – seine möglichen Ergebnisse sind schon jetzt bekannt:

Erstes Ergebnis: Die Grenzen wurden faktisch geöffnet, als Innenminister Thomas de Maizière im Sommer 2015 darauf verzichtete, Neuankömmlinge zurückzuweisen, die aus sicheren Drittstaaten in die Bundesrepublik kamen. Das waren fast alle Flüchtlinge.

Zweites Ergebnis: Diese Nichtbeachtung des Paragrafen 18 Asylgesetz wurde nicht etwa vom Bundestag beschlossen, sondern von der Regierung angeordnet. Bis heute wissen die Parlamentarier nicht, wie und wann das genau geschah.

Drittes Ergebnis: Das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration war mit dem Zustrom von Asylsuchenden 2014/15 heillos überfordert. Allein im Jahr 2015 kamen ungefähr so viele Menschen nach Deutschland wie in der Zeit zwischen 2000 und 2013, nämlich knapp eine Million.

Viertes Ergebnis: Die hektische Aufstockung des Bams-Personals durch Abordnung von Beamten aus anderen Behörden und Neueinstellungen konnte keine ordnungsgemäße Bearbeitung der Asylanträge garantieren. Schließlich mussten die neuen Mitarbeiter auf die Schnelle in eine höchst komplizierte Materie eingearbeitet werden. Fehler und Fehlentscheidungen waren vorprogrammiert, die Überforderung vieler neuer BAMF-Mitarbeiter auch.

Fünftes Ergebnis: Eine Schlüsselposition in dem Anerkennungsverfahren nahmen die Dolmetscher ein. Ob sie die BAMF-Mitarbeiter auf offenkundige Falschaussagen von Asylsuchenden hinwiesen oder nicht, ob sie deren Äußerungen richtig oder falsch übersetzten, ob sie den Antragstellern halfen, die „richtigen“ Antworten zu geben, das alles konnte niemand überprüfen. Hier war (und ist) dem Betrug Tür und Tor geöffnet – aus gutmenschlichen Gründen wie aufgrund von Bestechung.

Fazit: Die Bundesregierung hat in der Flüchtlingskrise folgenreiche Entscheidungen getroffen. Diese Politik zu bewerten, ist zuerst Aufgabe des Parlaments und seiner Gremien, in diesem Fall des Innenausschusses. Ob und in welchem Umfang es zu Gesetzesverstößen durch das BAMF beziehungsweise seiner Mitarbeiter gekommen ist, haben Gerichte zu entscheiden, nicht Politiker. Ein BAMF-Untersuchungsausschuss wäre eine Spielwiese für die Opposition, mehr nicht. Mit anderen Worten: überflüssig wie ein Kropf.

Veröffentlicht auf www.focus.de am 5. Juni 2018.


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