12.02.2018

Der Kevin-Song als neue SPD-Hymne?

Wie gut, dass sich die GroKo-Parteien endlich auf eine Koalitionsvereinbarung geeinigt haben. Jetzt kann sie nämlich weitergehen, die #NoGroKo-Kampagne des Juso-Chefs Kevin Kühnert, von den Medien längst zum SPD-Hoffnungsträger hochgeschrieben, als Mann der Zukunft, als potentieller Kanzler.

Der 28 Jahre alte Student – noch ohne Abschluss – ist der Traum aller Journalisten, denen daran liegt, etwas Leben in die Berliner Bude zu bekommen: eloquent, schlagfertig, witzig. Wer es zwei Mal hintereinander schafft, auf SPD-Parteitagen die Führungsriege der Genossen in Grund und Boden zu reden, der darf als politisches Großtalent gelten.

Beim Mitgliederentscheid bekommt der 28-Jährige jetzt seine nächste große Auftritts-Serie, seine mediale Endlos-Schleife. Er wird durch Deutschland und Rundfunk-Studios touren und bei den Genossen für ein Nein zur GroKo werben. Die Medien werden ihm zu Füßen liegen, weil der junge Mann die gesamte SPD-Führung so herrlich alt aussehen lässt. Das sind übrigens dieselben Medien, die einst Martin Schulz zum „Gottkanzler“ hochgeschnulzt hatten. (Ist das wirklich erst ein knappes Jahr her?).

Man hätte das alles kommen sehen können. Schließlich hat der Kabarettist und Liedermacher Thomas Pigor uns schon vor ein paar Jahren vorhergesagt und vorhergesungen, dass die Rettung in nicht so ferner Zukunft von der Generation Kevin kommen wird, von der neuen „coolen“ Generation: vor Selbstbewusstsein strotzend und vor Kraft kaum laufen könnend. Pigor hat das, was jetzt geradezu kommen muss, genauer vorhergesehen als ganze Heerscharen von Leitartiklern:

„Sie werden chronisch unterschätzt,
doch sie sind es wert, dass man auf sie setzt!
Die Kevins haun uns raus, die machen alles klar,
die bringn ins Kanzleramt einen Superstar.
Die Kevins haun uns raus, die bringn das Land in Schwung,
die stelln sich der globalen Herausforderung!“

Damit kein Missverständnis aufkommt. Hier geht es nicht in erster Linie um die vielen jungen Männer, die von ihren zeitgeistig geprägten Eltern scharenweise Kevin getauft wurden. Nein, hier geht es auch um die Lisas und Sarahs, um eine ganze Alterskohorte:

„Die Kevins haun uns raus, die nächste Generation,
Kevin, Lisa und Max und Sarah schaffen das schon.
Hab einfach Vertraun, dass die den Laden schon schmeißt.
Dass es wieder aufwärts geht, weißt du, wenn der erste
Bundeskanzler Kevin heißt.
Wenn der erste Bundeskanzler Kevin heißt.“

Mag ja sein, dass nicht alle Genossen – vor allem solche in Führungspositionen – von dem aktuellen Kevin-Kult begeistert sind. Aber wenn sich der Pulverdampf des Mitgliederentscheids erst einmal verzogen hat, könnte der Kevin-Song doch zur neuen Partei-Hymne werden. Das klingt jedenfalls geiler, wie die Generation Kevin das ausdrücken würde, als das biedere SPD-Lied „Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘…“. Wenn da „die alten Lieder“ gesungen werden „und die Wälder widerklingen“, dann klingt das genau nicht nach der „neuen Zeit“, die angeblich mit der SPD zieht.

Als die Delegierten kürzlich zum Abschluss des SPD-Sonderparteitags zur GroKo das Traditionslied – nicht ganz textsicher – mitsangen, fragte man sich ohnehin, wer von all den überwiegend hauptberuflichen Mandatsträgern, Wahlbeamten und Parteifunktionären wie oft singend durch die Wälder zieht. Noch surrealer klingt die zweite Strophe aus dem Mund von halb- und vollakademisch ausgebildeten Berufspolitikern mit Schwerpunkt Sozialwissenschaften:

„Eine Woche Hammerschlag
eine Woche Häuserquadern
zittern noch in unsern Adern
aber keiner wagt zu hadern
Herrlich lacht der Sonnentag
herrlich lacht der Sonnentag.“

Wer wagt schon eine Vorhersage, wie Kevin Kühnerts Feldzug enden wird – mit der Wiederauferstehung der SPD oder „nur“ als Startrampe seiner eigenen SPD-Karriere? Im Gegensatz zu den Gerhards, Andreas und Johannas unter seinen vielen Vorgänger*innen an der Juso-Spitze bringt Kevin Kühnert jedenfalls schon mal etwas ganz Wichtiges mit: seinen eigenen Song. Wer hat, der hat.

Veröffentlicht auf www.cicero.de am 12. Februar 2018.


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