27.09.2017

Im Wahlkreis von CDU-General Tauber desertierten die Wähler in Scharen

Wo ist Peter Tauber? Am Wahlabend, als Angela Merkel sich von Parteijüngern feiern ließ, als habe sie stolze 43 und nicht magere 33 Prozent erzielt, stand der CDU-Generalsekretär dicht hinter seiner Chefin. Doch seitdem schweigt er mehr oder weniger. Er, der einstige Twitter-König der CDU, hat zurzeit ausgezwitschert. Zum Wahldesaster seiner Partei sagt er so gut wie nichts.

Er täte sich auch schwer, den Schnick-Schnack-Wahlkampf à la #fedidwgugl und einem „begehbaren“ Wahlprogramm als Erfolg zu verkaufen. Auch er selbst ist mit seinen Methoden bei den Wählern nicht angekommen. Seinen hessischen Wahlkreis, die CDU-Hochburg „Main-Kinzig – Wetterau II – Schotten“, hat Tauber zwar verteidigt – aber mit überdurchschnittlich hohen Verlusten. Bei den Erststimmen kam Tauber auf 36,4 Prozent, ein Minus von 12,4 Punkten oder 25,4 Prozent. Zum Vergleich: Im Bundesgebiet (ohne Bayern) gingen die Erststimmen der CDU-Kandidaten von 37,2 auf 30,2 Prozent zurück, ein Verlust von 7,0 Punkten oder 18,8 Prozent.

Weitaus folgenreicher als Taubers persönliches Abschneiden war jedoch seine Fehleinschätzung der AfD. Im September 2014 war sich Tauber ganz sicher, die AfD könne der CDU nicht gefährlich werden. „Jetzt mag sie vielleicht noch in ein oder zwei Landtage einziehen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie den Weg der Piraten gehen wird“, sagte Tauber vor drei Jahren. Und lag völlig falsch. Wenige Tage später erzielte die „Alternative für Deutschland“ bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen den Durchbruch. Ein paar Monate später schaffte sie in Hamburg und Bremen ebenfalls locker die Fünf-Prozent-Hürde.

Der CDU-Generalsekretär erkannte da immer noch nicht die Gefahr. Im Mai 2015 gab er der „Huffington Post“ ein Interview. Hier ein Auszug: „HuffPost: Bei Landtagswahlen hat die AfD vergleichsweise gut abgeschnitten. Tauber: Aber das war doch bei den Piraten zunächst auch so. HuffPost: Ist die AfD denn jetzt die neue Piratenpartei, was den Weg des politischen Niedergangs angeht? Tauber: Sie sehen ein wenig verkniffener aus und sind stellenweise braun lackiert, aber ansonsten: ja.“ Nun ja, Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.

Jetzt hat die CDU/CSU an die angeblich so unbedeutende AfD 1,07 Millionen Wähler verloren, mehr als SPD, FDP, Linke und Grüne zusammen. Angesichts solcher Zahlen hat die CDU-Parteivorsitzende die Parole ausgegeben, man wolle um die Wähler der AfD kämpfen, wolle sie zurückholen. Das klingt ganz anders, als das, was ihr Generalsekretär 2014 in völliger Verkennung der Lage verkündet hatte. Tauber damals: Er wolle die zur rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) abgewanderten Parteimitglieder „nicht geschenkt“ zurücknehmen. „Ich habe den Eindruck: Dort, wo AfDler von uns kommen, will sie von uns keiner geschenkt zurück“, sagte Tauber der „Berliner Zeitung“. Es handele sich bei den zur AfD gewechselten Menschen vielfach um Leute, „die wenig diskussionsfähig waren, die immer alles besser wussten“. „Die müssen dann eben eine neue Heimat finden“, sagte Tauber. Zugleich zeigte sich Tauber damals überzeugt, dass Konservative in seiner Partei weiter gut aufgehoben seien. Das sahen am Sonntag viele konservative Wähler offenbar anders: Sie machten ihr Kreuz bei der AfD.

Tauber hat in der Vergangenheit ständig gefordert, die CDU müsse „jünger, bunter und weiblicher“ werden. Konservative CDU-Wähler, insbesondere alte, weiße Männer, betrachtete er eher als notwendiges Übel. Langgediente CDU-Abgeordnete wie Wolfgang Bosbach schätzte er nicht sonderlich und machte daraus auch keinen Hehl. Gut möglich, dass mancher traditionelle CDU-Wähler nordöstlich von Frankfurt mit Taubers neuer CDU nichts mehr anzufangen weiß. Das Erst- und Zweitstimmenergebnis der CDU in Taubers Wahlkreis legt das jedenfalls nahe.

Veröffentlicht auf www.cicero.de am 27. September 2017.


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