09.08.2017

Realpolitiker Schulz muss keine Anschlussverwendung suchen

Ein Wahlergebnis steht schon mal fest: Martin Schulz wird, ganz gleich wie die Wahl ausgeht, sein Bundestagsmandat annehmen. Und SPD-Vorsitzender will er auch bleiben. „Ich werde mich auf dem nächsten Parteitag natürlich um eine Wiederwahl bewerben“, kündigte er jetzt an.

Dass Schulz auf Fragen, was er im Fall einer SPD-Niederlage tun werde, überhaupt eingeht, ist neu. Irgendwie scheinen die Umfragen aus dem einstigen Gottkanzler einen Realpolitiker gemacht zu haben. Vor kurzem antwortete er auf entsprechende Fragen noch so: „Die SPD wird stärkste Fraktion und ich werde Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.“

Lindner als übermütiger Russland-Versteher

Gespräch mit einem alten FDP-Kämpen vor einigen Wochen. Ich: Die FDP steht ja wieder recht gut da. Er: „Stimmt, aber es wäre nicht das erste Mal, dass wir uns kurz vor der Wahl selbst das Bein stellen.“ Das fiel mir am Wochenende wieder ein, als Christian Lindner es abermals schaffte, mit wenigen Sätzen ganz viel Aufmerksamkeit zu erregen. Sein Vorschlag im Umgang mit Putin: die Krim zunächst als "dauerhaftes Provisorium" anerkennen und Sanktionen lockern.

Die Medien reagierten überwiegend negativ. Besonders scharf ging die „Welt“ mit dem FDP-Superstar ins Gericht: Lindner wolle „den Genscher“ machen – nur dass die Fußstapfen, in die Lindner zu treten versuche, ein bisschen zu groß für ihn seien. Es sei typisch für die FDP, „in Sonntagsreden von Freiheitswerten zu reden – und dann doch mit Diktaturen kuscheln.“

Unabhängig davon, dass man im Wahlkampf keine Positionen einnehmen sollte, auf die man später als Außenminister festgelegt werden kann: Irgendwie scheint die FDP sich im Umfragerausch zu befinden. Das erinnert nicht nur an den Schulz-Hype von vor ein paar Wochen. Es erinnert auch daran, dass das D in FDP sicher nicht für Demut steht.

Austauschbare Slogans

Preisfrage: Von wem stammen die folgenden Wahlaussagen?

- „Ein Deutschland der verschiedenen Regionen, aber mit gleichen Chancen auf ein gutes Leben. Packen wir es an!“
- „Für gute Arbeit und gute Löhne“
- „Familien sollen es kinderleichter haben“
- „Denen den Rücken stärken, die für uns stark sind“

Die erste Aussage ist ein Tweet von Martin Schulz, die folgenden drei stehen auf Großflächenplakaten der CDU. Ob CDU und SPD tatsächlich verschiedene Werbeagenturen beschäftigen? Oder wird in einer GroKo-Kampa bereits am nächsten schwarz-roten Koalitionsvertrag getüftelt?

Übrigens: Das CDU-Plakat „Denen den Rücken stärken, die für uns stark sind“ zeigt zwei Polizisten. Zum Thema Rente plakatiert die CDU nichts – zum Thema Flüchtlinge auch nichts. Wenn es halt nichts zu ändern gibt ….

Wahlkampfweisheit zum Tage:

„Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“ (Loriot)

Veröffentlicht auf www.tichyseinblick.de 8. August 2017.


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