19.07.2017

Eine Stimme für die CSU ist eine Stimme für und gegen die Obergrenze

Wer bietet mehr? Laut Allensbach liegt die CDU/CSU bei der „Sonntagsfrage“ bei 39,5 Prozent, Forsa meldet 40 Prozent. Nur INSA macht da nicht mit und taxiert die Union auf 36 Prozent. Die SPD kommt in den aktuellen Umfragen nicht über 25 Prozent hinaus. Auch wenn es noch 67 Tage sind bis zur Bundestagswahl: Dass die SPD am Ende vor der Union liegen wird, scheint ziemlich ausgeschlossen.

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Das verwundert umso mehr, als von einem Unions-Wahlkampf wenig zu spüren ist. Marcus Maurer, Leiter des Lehr- und Forschungsbereichs für politische Kommunikation an der Uni Mainz, bewertet das so: „Bei der Union sehe ich im Augenblick am wenigsten schon eine Kampagne. Das muss auch gar nicht sein, weil Partei und Kandidatin wieder weit vor der SPD liegen und im Grunde erstmal nur aufpassen müssen, dass sie keine Fehler machen“, sagte er dem Medienportal „meedia.“

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Offenbar stört es die Wähler nicht, dass CDU und CSU in der Frage der Flüchtlingspolitik unverändert zerstritten sind. Die CSU hält an ihrer Forderung nach einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr fest. Horst Seehofer: "Die Obergrenze ist und bleibt ein Ziel der CSU". Das sagte der CSU-Chef bei der Vorlage des „Bayernplans“ seiner Partei, einer Ergänzung zum gemeinsamen „Regierungsprogramm“ der Unionsparteien. Angela Merkel hat dagegen in der ARD ihre Haltung bekräftigt: "Zur Obergrenze ist meine Haltung klar: Ich werde sie nicht akzeptieren". In einem Punkt ist die CSU allerdings kleinlaut geworden: Den Satz, er werde keinen Koalitionsvertrag ohne Obergrenze unterschreiben, verwendet Seehofer nicht mehr. Der Ober-Bayer scheint erkannt zu haben: Die sonst so flexible CDU-Vorsitzende ist in diesem Punkt hart.

Die Wähler in Bayern haben also folgende Wahl: Sie können die CSU wählen, weil sie eine Obergrenze wollen. Oder sie wählen CSU, damit Merkel Kanzlerin bleibt und es keine Obergrenze gibt. Das ist zwar nicht logisch. Aber was zählt schon Logik, wenn aus Sicht der CSU die Umfragezahlen stimmen?

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Mit Logik nichts zu tun hat auch das, was sich bei der AfD tut. Wohin man auch schaut: Die Rechtspopulisten bekämpfen sich untereinander noch härter als die von ihnen so verabscheuten „Altparteien“. In fast allen ihren 13 Landtagsfraktionen gibt es Richtungskämpfe, Ausschlüsse und Austritte. Die auf dem Parteitag in Köln abgemeierte Parteivorsitzende Frauke Petry ist mehr oder weniger abgetaucht. Nun hat auch ihr Co-Vorsitzender Jörg Meuthen schon mal angekündigt, zusammen mit Petry werde er sich nicht noch einmal an die Parteispitze wählen lassen. Die Formel „Feind, Todfeind, Parteifreund“, haben die Rechtspopulisten voll verinnerlicht.

Ungeachtet des innerparteilichen Chaos liegt die AfD in den meisten Umfragen stabil bei 7 bis 8 Prozent; INSA hat sogar 10 Prozent gemessen. Die Zeiten von stabilen, zweistelligen Zustimmungsraten scheinen jedoch vorbei zu sein. Das könnte sich höchstens ändern, wenn es in nächster Zeit zu einem Ansturm von Flüchtlingen käme, was aber wenig wahrscheinlich ist. Offenbar gibt es einen stabilen Kern von Wählern, denen es völlig gleichgültig ist, ob die neue Kraft am rechten Rand politikfähig ist oder nicht: ihre Proteststimme ist der AfD sicher. Zweierlei ist deshalb wahrscheinlich: dass die AfD in den Bundestag kommt - und dass sich ihre Fraktion dann bald spaltet.

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Wahlkampfweisheit zum Tage: Wenn Politiker sagen, wir tun, was wir können, ist das nicht einmal gelogen.

Veröffentlicht auf www.tichyseinblick.de am 19. Juli 2017


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