07.04.2021

Laschets Problem

Mit seiner Corona-Brücke ist Armin Laschet der Kanzlerkandidatur nicht nähergekommen. Das Ergebnis zweitägigen Nachdenkens über Ostern führte ihn vom großen Ziel sogar weiter weg. Denn sein Vorschlag, mit einem kurzen zwei- bis dreiwöchigen Brücken-Lockdown die Infektionszahlen niedrig zu halten, bis 30 oder 40 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, erwies sich als nicht schlüssig. Angesicht des unverändert viel zu niedrigen Nachschubs an Impfstoff müsste die „Brücke“ mindestens bis weit in den Mai hinein reichen. Das kann Laschet aber nicht ernsthaft wollen.

Der CDU-Vorsitzende musste nicht nur feststellen, dass er aus den eigenen Reihen kaum Unterstützung fand, nicht von der Mehrheit der CDU-Ministerpräsidenten und ebenso wenig aus der ersten Reihe von Partei und Fraktion. Ein bedenkliches Zeichen für jemanden, der nicht nur Kandidat, sondern auch Kanzler werden will. Für beides braucht er nämlich eine geschlossene CDU hinter sich. Was vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten als Befreiungsschlag gedacht war, erwies sich als Fehlschlag. Seit Montag sind Laschets Chancen eher gesunken, jedenfalls nicht gestiegen.

Lieber kein Nahkampf

Sein unionsinterner Konkurrenz Markus Söder fühlt sich offenbar stärker denn je. Bei „Lanz“ präsentierte er sich am Dienstagabend als jemand, der nur auf den Ruf von CDU und CSU wartet – der ihn geradezu erwartet. In den Nahkampf um die Kanzlerkandidatur drängt es den CSU-Vorsitzenden nicht. Aber als Retter der Union würde er sich bitten lassen. Falls es dann mit dem Kanzleramt nicht klappte, könnte er nach München zurückkehren, als einer der nicht unbedingt aus Bayern fortwollte, sich aber verpflichtet fühlte, der Unionsfamilie zu helfen. Er wäre dann zwar auch ein Verlierer, aber ein scheinbar selbstloser.

Die Uhr tickt, denn in CDU wie CSU ist die Neigung gering, noch bis Pfingsten zu warten, wie Laschet und Söder um die Position der Nummer eins kämpfen – der eine offen, der andere eher verhalten. Wobei der Bayer gerne beiläufig gegen den Rheinländer stichelt, auch mal verbal zuschlägt, aber stets mit gut einstudierter Unschuldsmiene. Das alles verbessert die Chancen der Union nicht, denn gerade ihre Wähler verabscheuen nichts mehr als innerparteilichen Streit und personelle Querelen. Wie könnte es weitergehen? Folgende Lösungen sind denkbar: eine friedliche Einigung, ein Wettbewerb und eine harte Konfrontation. Letzteres dürften beide Parteien ebenso zu vermeiden suchen wie die beiden Protagonisten. Denn es liefe darauf hinaus, dass Laschet und Söder sich noch einige Wochen lang mehr oder weniger unverhohlen duellieren, ihre Anhänger sich bekämpfen und die Medien dies genüsslich dokumentieren. Am Ende setzt sich – zwangsläufig – die CDU als die stärkere Partei gegen die kleine Schwester durch. Zurück blieben ein angeschlagener Kandidat, etliche Verwundete und eine beleidigte CSU – alles andere als erfolgversprechende Aussichten für den Wahlkampf.

Nicht so eisenhaltig wäre die Luft bei einer Wettbewerbslösung. Hier würden Laschet und Söder sich dem Votum der Bundestagsfraktion stellen, wie vor mehr als 40 Jahren Franz Josef Strauß und Ernst Albrecht. Die Fraktion ist die große Klammer zwischen beiden Parteien, und die Stärkeverhältnisse spiegeln das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 wider: 199 Abgeordnete der CDU und 46 der CSU. Ein CSU-Bewerber hat nur dann eine Chance, wenn er neben allen CSU-Abgeordneten auch knapp 40 Prozent der CDU-MdBs von sich überzeugen kann. Der Nominierte wäre in jedem Fall der gemeinsame Kandidat von CDU und CSU.

Laschet als Fraktionschef?

Würde sich Söder dabei durchsetzen, könnte sich Laschet als CDU-Vorsitzender kaum halten. Es sei denn, er wechselte aus der Düsseldorfer Staatskanzlei in den Bundestag und führte dort die CDU/CSU-Fraktion an – ganz gleich, ob die Union den Kanzler stellt oder nicht. Aber keiner könnte heute garantieren, wen die neue Fraktion im Herbst zum Vorsitzenden wählt. Laschet ging also ein hohes Risiko ein – keine sehr verlockende Perspektive.

Bliebe noch die Möglichkeit, dass einer der beiden Kandidaten verzichtet. Söder weiß, dass ihm seine guten persönlichen Umfragewerte wenig helfen, wenn die Union nicht aus ihrem Tief herauskommt. Auch müsste er im Wahlkampf mit heftigem medialem Gegenwind rechnen. Ein Rückzug von der nie erklärten Bewerbung um die Kandidatur wäre also denkbar, falls die Chancen der CDU/CSU, das Kanzleramt zu verteidigen, sich nicht bald und deutlich verbessern.

Laschet wiederum könnte dem Beispiel Angela Merkels folgen, die angesichts großer Zweifel an ihrer Kanzlertauglichkeit 2002 die Spitzenkandidatur dem CSU-Chef Edmund Stoiber überließ. Der bot ihr im Gegenzug an, sich im Falle seiner Kanzlerschaft ein beliebiges Ministeramt aussuchen zu können oder bei einer Wahlniederlage den Fraktionsvorsitz. Theoretisch könnte Laschet bei einem Deal mit Söder der Unions-Kandidat für die Wahl des Bundespräsidenten im Frühjahr 2022 werden. Aber es ist höchst ungewiss, wie die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung nach der Bundestagswahl und vier ausstehenden Landtagswahlen aussehen. Zudem könnte das Amt des Staatspräsidenten beim Aushandeln eines Koalitionsvertrags eine Rolle spielen; fest versprechen lasst sich da heute nichts.

Von Anfang an im Nachteil

In der Frage der Kanzlerkandidatur war Laschet von Anfang an im Nachteil: Ein CDU-Vorsitzender muss das wollen, ein CSU-Vorsitzender hat dagegen die freie Wahl. Zwei Mal haben CDU-Vorsitzende den Weg für die CSU frei gemacht: Helmut Kohl 1980, der seinen „Ersatzmann“ Albrecht ins aussichtlose Rennen gegen Strauß schickte, und Merkel 2002. Beide haben insofern Glück gehabt, als die CSU-Bewerber scheiterten. Das gab ihnen die Chance, ihre Stellung in der eigenen Partei zu konsolidieren und jeweils drei Jahre später doch noch das Kanzleramt zu erobern.

Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht. Aber es ist nicht auszuschließen, dass Söder wie Laschet ihre Schlüsse daraus ziehen. Letztlich hängt der weitere Gang der Dinge davon ab, ob Söder wirklich will. Zurzeit lasst er kaum Zweifel daran zu – und genau das ist Laschets Problem.

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 7. April 2021)


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