12.09.2019

Von Berlin aus lässt sich der Umgang mit der AfD nur schwer steuern

Die Beschlusslage bei CDU und SPD ist klar. Bei der CDU heißt es, keine Kooperation, keine Koalition mit Rechts- und Linksradikalen, also weder mit AfD oder NPD noch mit der Linken. Die Sozialdemokraten dagegen rechnen die Linke längst zu den untadeligen demokratischen Kräften, lehnen jedoch jede Zusammenarbeit mit der AfD strikt ab. Soweit die Theorie.

Die politische Praxis sieht indes anders aus. Das hat sich im Fall Altenstadt gezeigt. In der hessischen Kommune haben CDU, SPD und FDP gemeinsam einen NPD-Mann zum Ortsvorsteher gewählt. Jetzt wurde bekannt, dass die CDU im Gemeinderat von Eilsleben (Sachsen-Anhalt) eine Fraktionsgemeinschaft mit der AfD bildet. Auch soll die Union nach Recherchen von „Report Mainz“ in mindestens 18 Kommunalparlamenten in Sachsen und Thüringen schon gemeinsame Sache mit der AfD gemacht haben. Im hessischen Hanau wiederum hat der SPD-Oberbürgermeister den Fraktionschef der Republikaner für sein jahrzehntelanges kommunalpolitisches Engagement mit dem „Ehrenbrief“ des Landes Hessen ausgezeichnet. Dass der Geehrte im Kreistag mit einem NPD-Abgeordneten eine Fraktion bildet, störte den SPD-OB nicht. In den Berliner Parteizentralen blickt man empört und entsetzt auf solche Vorgänge. In Altenstadt haben die Kommunalpolitiker sich auf Druck aus der Hauptstadt entschlossen, ihren rechtsextremen Ortsvorsteher wieder abzuwählen. Zudem drohen den Beteiligten Parteiordnungsverfahren mit entsprechenden Sanktionen, die vom zeitweiligen Verlust der Parteiämter bis zum Parteiausschluss reichen können. Bis zu einem gewissen Grad sind die Parteiführungen freilich machtlos. Wie ihre Mandatsträger in den Kommunen abstimmen, lässt sich von Berlin aus weder steuern noch kontrollieren. Abgesehen davon, sind Gemeinderäte und Stadtverordnete frei gewählte Volksvertreter und keine Parteisoldaten.

Bei der Abgrenzung nach ganz rechts hat es die CDU schwerer als die SPD. Schließlich treffen ihre Kommunalpolitiker auf manche AfD-Mandatsträger, die bis vor einigen Jahren mit ihnen gemeinsam in der CDU aktiv waren. Auch gibt es Konservative in der CDU, die sich in einigen Fragen mit der AfD einig sind. Ohnehin funktioniert Politik in den Kommunen anders als auf der großen Bühne unter der Reichstagskuppel. Gerade in kleineren Gemeinden und Städten kennen sich die Politiker aller Parteien persönlich, haben gemeinsam die Schulbank gedrückt und begegnen sich im Sportverein oder in der Kirchengemeinde. Da liegt es nahe, dass häufig das Argument mehr zählt als das Parteibuch dessen, der es vorträgt.

CDU und SPD sollten im Umgang mit den Parteien ganz rechts und ganz links nicht in Hysterie verfallen. Gerade die AfD wirft den „Altparteien“ gerne vor, sie würde auf undemokratische Weise ausgegrenzt. Da gerieren sich die Rechtsaußen als politische Märtyrer, was ihnen bei ihren potentiellen Wählern sogar hilft. Deshalb ist Nüchternheit gefragt. Falls beim Bau einer Umgehungsstraße oder der Sanierung einer Schule die AfD Zustimmung signalisiert, können CDU, SPD oder Grüne doch nicht deshalb auf ein notwendiges Projekt verzichten. Das förderte nur die Politikverdrossenheit.

Gleichwohl können die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und ihr Generalsekretär Paul Ziemiak nicht tatenlos zusehen, wenn auf der örtlichen Ebene rote – oder besser: bräunliche – Linien überschritten werden. Die CDU muss ihre Mitgliedern in den Ortsverbänden besser über den wahren Charakter von AfD und NPD aufklären, muss besser begründen, warum Koalitionen oder Zählgemeinschaften mit diesen Parteien gegen die Grundüberzeugungen der Union verstoßen. Kramp-Karrenbauer, Ziemiak und die gesamte CDU-Spitze müssen ihrer Basis klar machen: Im Zweifelsfall verliert die CDU lieber ein paar Mitglieder und Mandatsträger als die eigene Glaubwürdigkeit.

Veröffentlicht auf www.focus.de am 11. September 2019.


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