24.05.2018

Erdogan findet den Doppelpass gut – für seine Machtspiele

Frank-Walter Steinmeier ist zweifellos kein Fan des Recep Tayyip Erdogan. Aber der Bundespräsident sprach wohl ganz im Sinn des Sultans vom Bosporus, als er kürzlich den fußballspielenden Erdogan-Bewunderern Özil und Gündogan bescheinigte, ein Mensch könne auch zwei Heimaten haben. Mit Blick auf die beiden Nationalspieler bedeutet das wohl: den deutschen Adler auf der Brust und den türkischen Halbmond im Herzen.

Nun hat der türkische Präsident nie einen Zweifel daran gelassen, dass er zu viel Integration seiner in Deutschland lebenden Landsleute strikt ablehnt; schließlich ist „Assimilation“ für ihn „ein Verbrechen“. Aber die doppelte Staatsbürgerschaft hält Erdogan – ganz im Sinne der Steinmeierschen „Heimat gibt es auch im Plural“-Doktrin – offenbar für eine segensreiche Einrichtung. Wer zwei Pässe hat, darf nämlich nach unserer Rechtslage zwei Mal wählen – in jeder Heimat ein Mal.

Da im Ausland lebende Türken häufig nationalistischer und AKP-treuer sind als seine in der Türkei lebenden Untertanen, versucht Erdogan seine politische Macht mit Hilfe der Auslandstürken zu festigen. Deshalb hat er „seine“ Türken in anderen Ländern aufgefordert, den Pass ihrer Zweitheimat zusätzlich zum türkischen zu beantragen: damit sie politisch Einfluss nehmen können auf ihre Zweitheimat.

Wörtlich rief Erdogan den Auslandstürken zu: „Nehmt unbedingt die Staatsangehörigkeit der Länder an, in denen ihr lebt.“ Und: „Ich bitte Euch, dass Ihr eine aktive Rolle in den politischen Parteien in den Ländern übernehmt, in denen Ihr lebt. Ihr solltet ein Teil dieser Parlamente sein, nicht diejenigen, die ihr Land verraten.“ Wen er mit Verrätern meint, dürfte klar sein: türkischstämmige Politiker wie den Grünen Cem Özdemir, die Politik im Interesse Deutschlands machen und eben nicht im Interesse der Türkei und speziell Erdogans.

In der Bundesrepublik leben rund 2,8 Millionen türkisch-stämmige Menschen, davon 1,5 Millionen Menschen ausschließlich mit türkischem Pass. Würden alle, die 18 Jahre und älter sind, sich einen deutschen Zweitpass zulegen und geschlossen im Sinne Erdogans abstimmen, könnten sie in Großstädten und Wahlkreisen mit hohem türkischen Bevölkerungsanteil durchaus entscheidenden Einfluss ausüben. Vor allem aber offenbart Erdogans Vorstoß, wie gefährlich die von Sozialdemokraten, Grünen, Linken bis hinein in die CDU unverändert gepriesene Multikulti-Ideologie samt der dazugehörigen Doppelpass-Euphorie ist. Der Doppelpass fördert gerade nicht die Integration in das Land, in dem Zugewanderte und ihre Nachkommen leben. Der Doppelpass erspart diesen Menschen, sich für ihre neue Heimat zu entscheiden und zu ihr zu bekennen. Zudem privilegiert er Menschen mit ausländischen Wurzeln gegenüber den „Bio-Deutschen“ durch ein doppeltes Wahlrecht. Schließlich erleichtert der Doppelpass ausländischen Einfluss auf die deutsche Politik: durch Wählen, aktives Engagement in Parteien und den Einzug von Politikern ins Parlament, die – ganz im Sinn von Erdogan – im Zweifel für ihr „richtiges“ Land stimmen.

Man darf getrost davon ausgehen, dass Erdogan dank der Moscheegemeinden, Ditib und der sonstigen Zuträger seiner AKP sehr gut weiß, wie die Türken in Deutschland „ticken“. Genau deshalb sieht er im Doppelpass ein ideales Machtinstrument zu seinen Gunsten. Wenn unsere Multikulti-Phantasten jetzt nicht aufwachen – wann dann?

Veröffentlicht auf www.focus.de am 24. Mai 2018.


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