18.04.2018

Auch die FDP scheint vom Genderwahn befallen

Es ist ruhiger geworden um die FDP, seit die Freien Demokraten bei der Reise nach Jamaika der Mut verlassen und sich gut einen Monat nach der Kanzlerwahl die übliche Berliner Routine eingestellt hat: Die Regierenden finden in den Medien und in der Öffentlichkeit eben mehr Aufmerksamkeit als die Opposition.

Die Freien Demokraten suchen deshalb nach Themen. Jetzt hat das Präsidium etwas entdeckt, was immer Aufmerksamkeit garantiert: das Frauenthema. So stellt die FDP-Spitze selbstkasteiend fest: "Dass wir aber mehrheitlich eine Partei der Männer sind, gibt Anlass zur Selbstkritik." Und gibt flugs die Parole aus: Frauen an die (Partei)Front.

Das Ziel ist klar: Die Partei will attraktiver für Frauen werden. Deshalb sollen Frauen künftig jedes dritte Amt in Parteigremien einnehmen und auch in den Fraktionen ein Drittel der Abgeordneten stellen. Das soll per Selbstverpflichtung erreicht werden. Und wenn das nicht klappt? Unter den "ergebnisoffen" zu prüfenden Vorschlägen findet sich unter anderem die Einführung einer „verpflichtenden Quote“.

Die FDP und eine verpflichtende Frauenquote? Ist das dieselbe FDP, die mit guten Argumenten stets gegen eine Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten gekämpft hat? Ist das die FDP als Vorkämpferin für den Wettbewerb und das Leistungsprinzip? Oder mutiert die FDP zu einer Partei, die im Zweifel das Geschlecht für das wichtigere Kriterium hält als das Können? Da reibt man sich verwundert die Augen und fragt sich allen Ernstes: Ja, sind die auch vom Genderwahn befallen?

Natürlich tut jede Partei gut daran, bei der Auswahl ihrer Repräsentanten und Kandidaten die Vielfalt in der Bevölkerung zu berücksichtigen. Wenn das aber – aus vielerlei Gründen – nicht klappt, dann sehen viele in einer Quote die Rettung. Aber warum dann nur eine Quote für Frauen? Warum nicht auch eine Quote für Ostdeutsche, für Migranten, für Christen, für Muslime, für Lesben und Schwule? Wer die demokratischen Auswahlprozesse durch Vor-Festlegungen beeinträchtigen, wer das freie Spiel der Kräfte ausschalten will, der sollte dann wenigstens konsequent sein: mit einer Quote für jeden und alles.

Hinter der Idee der Frauenquote steckt die Erwartung, Frauen würden umso eher eine bestimmte Partei wählen, wenn diese möglichst viele weibliche Kandidaten aufbietet. Was natürlich Unsinn ist, wie das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 zeigt. Deutlich mehr Stimmen von Frauen als von Männern erhielten nur die CDU und die Grünen. Die – quotenfreie – CDU kam bei den Frauen auf 29,8 Prozent, bei den Männern auf 23,5 Prozent; bei den – strikt quotierten – Grünen lautete das Verhältnis 10,2 zu 7,6 Prozent. Selbst die besonders männerlastige CSU wurde von mehr Frauen als Männern gewählt, nämlich von 6,6 Prozent gegenüber 5,7 Prozent (umgerechnet auf den Bund). Auch die auf die Frauenquote setzende Linke erhielt – Überraschung, Überraschung – mehr Stimmen von Männern als von Frauen. Der SPD half die Frauenquote ebenfalls nicht: Sie erreichte bei Männern wie Frauen etwas mehr als 20 Prozent. Und die FDP? Da lagen die Männer mit 11,8 Prozent vor den Frauen mit 9,7 Prozent.

Diese Zahlen zeigen: Frauen sind klüger, als manche Parteistrategen denken. Sie stimmen offenkundig für die Parteien, bei denen sie ihre Interessen am besten vertreten sehen – und nicht für die Parteien mit den meisten Kandidatinnen. Doch ausgerechnet die Lindner-FDP scheint dabei, auf den ach so modern wirkenden Quoten-Zug aufspringen zu wollen. Fehlt nur noch, dass die Freien Demokraten auf ihrem nächsten Parteitag die SPD-Hymne anstimmen: „Mit uns zieht die neue Zeit.“

Veröffentlicht auf www.focus.de am 18. April 2018.


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